Pressemitteilung
Litauen

Als zweiter Macron hätte „Sankt Martin“ länger geglänzt

26.10.2017

„Schulz hätte im Wahlkampf mehr auf Europa setzen müssen um länger vom Sankt Martins - Effekt zu profitieren“ analysierte Martin Schulz‘ ehemaliger Berater Arnoldas Pranckevičius beim Business Lunch der Deutsch-Baltischen Handelskammer am 24. Oktober in Vilnius.

Der Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Vilnius bewertete bei der Wahl-Nachlese im Kempinski Hotel Cathedral Square Vilnius jedoch externe Umstände als entscheidend.

Arnoldas Pranckevičius nannte als Hauptgründe für das deutsche Wahlergebnis:

  • Merkel profitierte vom Wählerwillen nach Beständigkeit in Folge der politischen Erdbeben Brexit und Trump-Wahl.
  • Schulz kam im „einverständlich geführten“ TV- Duell nicht als interessante Alternative rüber, sondern als „mehr vom Gleichen, nur mit Bart und tieferer Stimme“. Wer Veränderung wollte, stimmte daher für die AFD.
  • Die starke wirtschaftliche Performance Deutschlands sprach für die Amtsinhaberin.
  • Schulz‘ Lager betonte zu wenig seine „wirklich beeindruckenden Leadership-Qualitäten“ als Präsident des Europäischen Parlaments. „Schulz verpasste es, sich mit mehr Ideen zu Europa im Wahlkampf als zweiter Macron zu positionieren“ meint der litauische Politiker.

Insgesamt füge sich das Ergebnis in die Abwärts-Spirale der europäischen Sozialdemokratie, so Pranckevičius. Ein Grund sei, dass Sozialdemokraten beim wichtigen Thema Migration „nicht punkten können“. Neue sozialdemokratische Führer seien jetzt gefragt.

Als sehr konsequent und richtig begrüßt Pranckevičius den Gang der SPD unter Schulz in die Opposition. Obwohl es „eigentlich eine Niederlage der großen Koalition, also auch Merkels war“.

Pranckevičius wagte auch eine Prognose für die Besetzung der Schlüsselämter unter einer „Jamaika“-Regierungskoalition. FDP-Politiker Lindner oder dessen Parteifreund Kubicki sieht er als künftigen Finanzminister, den Grünen Cem Özdemir als Außenminister.

Alles in Allem „ist nichts Originelles bei der deutschen Wahl passiert, sie wurde Opfer derselben Einflüsse wie andere Länder zuvor, etwa Litauen vor zwei Jahren“ lautete das unaufgeregte Fazit des gelernten Journalisten.

Für Litauen ändere sich unter der neuen Regierung nicht viel, denn es werde eine „klare pro-Europa-Regierung und Deutschland bleibt verlässlicher Partner in Fragen der Sicherheit und wirtschaftlichen Zusammenarbeit“.

Litauens EU-Mitgliedschaft bewertete Pranckevičius als „Erfolgsgeschichte“, das zeige schon der Vergleich mit Nicht-EU-Ländern wie der Ukraine. „Wir als kleines Land sind Mitglied im besten Club und inzwischen sogar im Rahmen der Eastern Partnership ein Geberland geworden“ meinte er stolz.

AHK Litauen-Vorstandsmitglied Linas Sabaliauskas (Anwaltskanzlei TRINITI LT) lobte einführend, dass durch Pranckevičius die Vertretung der Europäischen Kommission heute „einen ganz anderen Stellenwert“ im politischen Leben Litauens spiele. Der Politprofi und eloquente Redner Pranckevičius galt bei der Regierungsbildung letztes Jahr als heißer Kandidat für das litauische Außenministerium. Die Teilnehmer des Business Lunch waren sich beim abschließenden Plausch zum Dessert einig, dass Pranckevičius eine gute Besetzung gewesen wäre - und in Zukunft noch sein kann.